Kapitel sechs

Es war ein trüber Nachmittag, als Moes Telefon plötzlich zu vibrieren begann. Sie war gerade dabei, sich in ihrem Zimmer mit Hausaufgaben zu beschäftigen, doch das Display des Handys zeigte den Namen von Souya an. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, und sie zögerte einen Moment, bevor sie den Anruf entgegennahm.
„Hallo, Moe hier“, meldete sie sich, ihre Stimme klang neutral, aber innerlich ahnte sie, dass etwas nicht stimmte.
„Moe, hier ist Souya“, begann er, doch seine Stimme klang angespannt und nicht so lässig wie sonst. „Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.“
Moe richtete sich in ihrem Stuhl auf, ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Was ist los? Ist alles in Ordnung?“
Souya zögerte, als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Es geht um Nahoya. Er... er ist im Krankenhaus.“
„Was?!“ Moes Herz setzte einen Schlag aus, und sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg. „Was ist passiert? Geht es ihm gut?“
„Er wurde in einen Kampf verwickelt“, erklärte Souya, seine Stimme war jetzt ernster und klarer. „Er ist nicht bei Bewusstsein.“
Moe schluckte schwer, ihre Gedanken rasten. Die Erinnerungen an Keisuke, die sie so hartnäckig verdrängt hatte, drängten sich wieder an die Oberfläche. „Ich komme sofort!“
„Zimmer 314. Ich bin schon da.“, antwortete Souya. 
„Ich mache mich sofort auf den Weg“, versprach Moe und legte auf. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und sie fühlte sich, als würde die Welt um sie herum verschwimmen.

Sie warf ihre Jacke über und rannte zur Tür, während ihre Gedanken sich überschlugen. „Nicht noch einmal, bitte nicht noch einmal“, dachte sie, während sie ihre Schuhe hastig anzog und aus dem Haus stürmte.
Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, und sie versuchte, die Panik niederzuringen, die in ihr aufstieg. „Bitte, lass ihn in Ordnung sein. “
Auf dem Weg zum Krankenhaus ließ Moe die vergangenen Monate Revue passieren. Die Zuneigung, die sie für Nahoya entwickelt hatte, war tiefer und intensiver geworden, als sie es jemals erwartet hätte. „Was wäre, wenn ich ihm nie sagen kann, wie wichtig er mir ist?“, fragte sie sich, während sie die Straßen entlang lief, den Tränen nahe.
Der Gedanke, Nahoya in einem Krankenhausbett zu sehen, ohne dass er auf ihre Worte reagieren konnte, versetzte Moe in einen Zustand der Verzweiflung. „Er muss einfach wieder gesund werden. Er muss“, wiederholte sie wie ein Mantra, während sie sich dem Krankenhaus näherte.
Im Krankenhaus angekommen, rannte Moe durch die Flure, bis sie schließlich das Zimmer erreichte, in dem Nahoya lag. Der Anblick von Nahoya, der regungslos im Bett lag, mit Verbänden und Schläuchen um ihn herum, schnitt Moe ins Herz. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und ergriff seine Hand. Souya saß bereits auf der anderen Seite, seine Stirn sorgenvoll in Falten gelegt.
„Er wird wieder aufwachen, oder?“ fragte Moe mit leiser, unsicherer Stimme, während sie Nahoyas Hand festhielt. Souya nickte, auch wenn er selbst Zweifel hatte. „Er ist stark. Er schafft das.“
Einige Stunden später stand Souya auf, um sich auf den Weg zu einem weiteren Kampf zu machen. Moe blickte zu ihm auf, Sorge in ihren Augen. „Pass bitte auf dich auf, Souya“, sagte sie mit eindringlicher Stimme. „Ich kann nicht noch jemanden verlieren.“
Souya legte eine Hand auf ihre Schulter und versuchte ein beruhigendes Lächeln. „Keine Sorge, Moe. Ich werde vorsichtig sein. Versprochen.“ Doch in seinen Augen lag die Entschlossenheit, die Toman zu verteidigen und seinen Bruder zu rächen.
Die Minuten zogen sich endlos hin, während Moe an Nahoyas Krankenbett verbrachte. Sie sprach mit ihm und hoffte, dass ihre Stimme ihn irgendwie erreichen würde. Und dann bemerkte Moe eine leichte Bewegung.
Nahoyas Finger zuckten, und langsam öffnete er die Augen. Moe schnappte überrascht nach Luft, bevor sie überglücklich auf ihn zu sprang und ihn umarmte. „Nahoya!“, rief sie, Tränen der Erleichterung in den Augen. Sie hielt ihn fest, als wollte sie sicherstellen, dass er wirklich da war.
Nahoya blinzelte verwirrt, aber ein schwaches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er ihre Nähe spürte. „Hey, Moe“, sagte er leise, seine Stimme heiser vom Schlaf und der Verletzung.
Moe ließ ihn endlich los, ein wenig verlegen über ihre spontane Reaktion, aber die Freude in ihrem Herzen war unübersehbar. „Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren“, gestand sie mit zitternder Stimme.
„Ich bin hier“, beruhigte Nahoya sie und drückte ihre Hand. „Ich gehe nirgendwo hin.“ In diesem Moment war für Moe klar, dass sie Nahoya nie verlieren wollte.
Der Raum war in warmes Licht getaucht, das durch das Fenster in das Krankenzimmer fiel. Nahoya lag in seinem Bett und sein Gesicht zeigte ein erleichtertes Lächeln. Moe saß an seiner Seite und hielt seine Hand, ihre Augen waren voller Sorge und Erleichterung zugleich.
Eine Weile schauten sie sich einfach nur in die Augen, die Welt um sie herum schien stillzustehen. Moe spürte, wie ihr Herzschlag sich beruhigte, als sie Nahoya ansah. Das Gefühl der Angst und Panik, das sie seit Souyas Anruf begleitet hatte, begann langsam zu weichen.
„Du hast mir einen riesigen Schrecken eingejagt“, begann Moe leise, ihre Stimme war voller Emotionen. Sie versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten, die nun doch ihren Weg über ihre Wangen fanden.
Nahoya drückte ihre Hand sanft. „Es tut mir leid“, sagte er ernst, seine Augen waren unverwandt auf ihre gerichtet. „Ich wollte dich nicht beunruhigen."
Moe schüttelte den Kopf, ihre Stimme wurde eindringlicher. „Versprich mir, dass du dich nicht mehr in solche Gefahren begibst. Ich...“ Sie stockte, suchte nach den richtigen Worten. „Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn dir etwas Schlimmes passieren würde.“
Nahoya sah sie intensiv an, berührt von ihrer Offenheit. „Moe, du bedeutest mir mehr, als ich je zugeben wollte. Ich werde vorsichtiger sein, das verspreche ich dir. Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst.“
Sie nickte und senkte den Kopf, unfähig, die Tränen zurückzuhalten, die nun unaufhaltsam flossen. „Es ist nur... du bist mir so wichtig“, gestand sie, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Ich habe so Angst gehabt, dich auch zu verlieren.“
Nahoya hob seine Hand, wischte sanft eine Träne von ihrer Wange und lächelte sie sanft an. „Ich habe dir meine Gefühle nie gezeigt, weil ich dachte, es wäre zu früh, aber...“ Er hielt inne, suchte nach den richtigen Worten. „Ich fühle dasselbe für dich, Moe.“
Ein leises Lächeln erschien auf Moes Gesicht, als sie ihn ansah, und in diesem Moment spürte sie, wie eine Last von ihren Schultern fiel. Ihre Hände zitterten leicht, als sie seine Hand hielt, und die Luft zwischen ihnen war voller unausgesprochener Worte und Gefühle.
Langsam beugte sie sich vor, ihr Herz klopfte heftig, während Nahoya sich ihr entgegenneigte. In diesem Moment, als ihre Lippen sich berührten, schien die Zeit stillzustehen. Der Kuss war zärtlich und voller unausgesprochener Emotionen, ein Versprechen und eine Antwort auf all die unausgesprochenen Fragen und Sorgen.
Sie lösten sich nur widerwillig voneinander, ihre Stirnen aneinander gelehnt, beide mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. „Ich werde immer für dich da sein“, flüsterte Nahoya, während Moe die Augen schloss, die Gewissheit und das Vertrauen in seinen Worten fühlte.

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