Fäden beginnen
Die Gruppe hatte am Fuße eines gespaltenen Felsens Halt gemacht, wo das Moos wie ein stiller Teppich die Reste vergangener Einsätze bedeckte. Vier Schatten zeichneten sich gegen die Dämmerung ab: Raidō Namiashi, schweigsam, die Arme vor der Brust verschränkt. Yugao Uzuki, das Katana auf dem Rücken, scharf wie ihr Blick. Genma Shiranui, gewohnt lässig, das Senbon zwischen den Lippen, als wäre es ein Teil von ihm. Und dann: Aiko Uchiha.
Sie stand mit verschränkten Armen da, das Kinn leicht erhoben, der Blick schneidend ins neblige Dickicht gerichtet. Ihr schwarzes Haar war vom Wind zerzaust, eine Strähne hatte sich aus dem Band gelöst und spielte unruhig an ihrer Wange. In ihren Pupillen flackerte kurz ein Rotschimmer, das Sharingan zuckte durch, nur einen Moment lang. Kontrolliert, aber nicht verborgen.
Raidō trat einen Schritt zur Seite, sein Flüstern an Genma kaum mehr als ein Hauch:
„Das ist sie. Die Uchiha mit Senju-Wurzeln. Und angeblich Shisuis kleine Flamme.“
Genma hob leicht die Braue, folgte dem Blick.
„Sieht aus wie ein Pulverfass,“ murmelte er trocken. „Ich hoffe, sie kann mehr als nur glühen.“
Ein Knacken im Unterholz. Nicht weit entfernt. Doch das Geräusch war nebensächlich, denn Aiko hatte sich bereits umgedreht, den Blick nun direkt auf Genma gerichtet. Ihre Stimme war ruhig, aber kalt.
„Wenn ihr flüstern wollt, müsst ihr lernen, es leise zu tun.“
Ein Hauch von Stille. Yugao verzog kaum merklich die Lippen zu einem schmalen Grinsen, Raidō sah demonstrativ weg. Genma jedoch trat gelassen ein paar Schritte nach vorn, bis nur noch ein professioneller Abstand zwischen ihnen blieb.
„Und wenn du mit Profis arbeitest,“ entgegnete er ruhig, „solltest du lernen, nicht alles persönlich zu nehmen.“
Aikos Augen verengten sich einen Moment, ein einziger Atemzug schien die Luft zwischen ihnen zum Flimmern zu bringen.
„Wenn du mich wie ein Kind behandelst,“ sagte sie scharf, „musst du dich nicht wundern, wenn du eine Antwort bekommst.“
Die Spannung war greifbar, als hätte jemand ein Genjutsu aus Worten gewebt. Dann das Senbon, das in Genmas Mundwinkel zuckte.
„Ich behandel niemanden wie ein Kind,“ erwiderte er ruhig. „Ich bewerte Leute nach dem, was sie auf dem Feld leisten. Das heißt, du hast noch alle Chancen.“
Ihre Blicke trafen sich. Nicht länger als ein Atemzug, doch tief genug, um Spuren zu hinterlassen.
„Dann schau genau hin,“ sagte Aiko.
Sie wandte sich wieder dem Terrain zu, ein Finger berührte den Boden. Chakraimpulse tasteten sich durch das Erdreich. Sie arbeitete konzentriert, strategisch. Kein Trotz, kein Ego. Nur klare Effizienz.
Genma beobachtete sie kurz. Dann schob er das Senbon zurück zwischen die Lippen und folgte wortlos.
Später am Abend hatte sich der Nebel so weit verdichtet, dass selbst geübte Augen kaum drei Meter weit sahen. Die alten, halb eingestürzten Strukturen der ANBU-Außenstation warfen verzerrte Schatten, die sich zwischen den Bäumen verloren. Die Aura des Ortes war elektrisch geladen, fremdartig. Chakra – gestört, wirbelnd, bedrohlich.
Die Gruppe bewegte sich leise, fast geräuschlos. Schritte auf weichem Laub, Atem unterdrückt, Sinne geschärft. Dann ein Rauschen, wie ein Riss in der Luft.
„Hinterhalt! Zwei Gruppen – West- und Südseite!“ rief Raidō, gerade laut genug, um sie alle zu erreichen.
Blitzschnell bewegten sich Yugao und Raidō in Richtung Südflanke, das Katana gezogen, Chakra gebündelt. Aiko und Genma blieben zurück, drehten sich synchron zur Westseite.
„Na wunderbar,“ murmelte Genma, das Senbon im Mundwinkel. „Ausgerechnet die Sturmkönigin.“
Aiko ignorierte ihn. Ihr Sharingan flackerte auf, ein roter Schimmer glitt durch ihre Iris. Für sie verlangsamte sich die Welt, die Gegner wurden klarer, ihre Bewegungen kalkulierbar. Drei kamen auf sie zu, schnell, aber unkoordiniert.
„Ich nehme den Linken und den Rechten,“ sagte sie kühl. „Der Mittlere gehört dir.“
„Dachte, du willst alles allein machen,“ entgegnete Genma mit einem schiefen Grinsen.
Aiko antwortete nicht. Sie stürzte vor, lautlos wie ein Schatten. Ihre Bewegungen waren flüssig, präzise, beinahe tänzerisch. Der linke Gegner wurde von einer kleinen Spiegelillusion erfasst, sein Angriff geriet ins Stolpern. Der rechte holte zum Schlag aus, doch eine feine, silberne Holzranke schoss aus dem Boden, reflektierend wie Glas, und lenkte seinen Hieb ab.
Genma wirbelte durch den Nebel, ein flacher Sprung über Aiko hinweg. Mit chirurgischer Präzision rammte er dem mittleren Gegner ein Senbon in die Schulter, ein gezielter Lähmungstreffer.
„Nicht schlecht, Kleine,“ rief er, überrascht, aber beeindruckt.
Aiko wich einem Tritt aus, schleuderte ein Kunai, das ihren Gegner an der Seite streifte. Genma reagierte blitzschnell, warf zwei weitere Senbon und fixierte die Beine des Angreifers am Boden.
„Mach deinen Wurf nächstes Mal drei Zentimeter tiefer,“ sagte Aiko knapp atmend, ohne ihn anzusehen. „So kann er sich noch lösen.“
Genma lachte leise, ein ehrliches, kurzes Geräusch.
„Das ist das erste Kompliment, das ich von dir kriege?“
Sie standen Rücken an Rücken, der Nebel wirbelte um sie wie ein lebendiger Schleier. Zwei Feinde lagen reglos am Boden, der dritte wurde von Yugao abgefangen.
Stille. Nur ihr gleichmäßiger Atem. Die Gefahr war vorerst gebannt.
„Du denkst schneller als du redest,“ murmelte Genma.
„Und du triffst besser, wenn du aufhörst zu reden,“ entgegnete Aiko ebenso leise.
Ein kurzes Aufblitzen von Humor, kaum spürbar, aber da. Kein Vertrauen, noch nicht. Aber Respekt. Und vielleicht ein erster, ganz feiner Faden von Verbindung, gesponnen im Nebel und im Blut.